Öffnet die Häfen – Kundgebung am Hafen von Palermo
Palermo, 12.06.2018
Es hat nicht lange gedauert: die Abschottungspropaganda und NGO-Diffamierungskampagne der neuen italienischen Regierung hat sich bereits in konkreten Aktionen manifestiert. Innenminister Matteo Salvini hat gestern beschlossen, die italienischen Häfen für das Rettungsschiff der SOS Mediteranee, Aquarius, zu schließen. Und angekündigt, dass auch für andere zivile Rettungsorganisationen wie der Sea-Watch dasselbe gelten wird. Die Diciotti, ein Schiff der italienischen Küstenwache mit 937 Menschen an Bord, darf hingegen morgen am Hafen von Catania anlegen. Auf der Aquarius befinden sich 629 Personen, darunter Frauen, Männer und Kinder, die in sechs verschiedenen Operationen gerettet wurden. Die Rettungen wurden nicht nur von der Aquarius, sondern auch von der italienischen Küstenwache und anderen Frachtschiffen durchgeführt. Was zunächst absurd wirkt, zeigt sich als klare politische Strategie mit dem Ziel, die NGOs im Rettungseinsatz auf dem Mittelmeer zu kriminalisieren.
Der Protest in der italiensichen Bevölkerung gegen die Entscheidung Salvinis ist groß. Die Bürgermeister verschiedener süditalienischer Städte, darunter auch Neapel, Messina und Palermo, haben sich solidarisch erklärt und ihre Bereitschaft bekundet, die Menschen aufzunehmen. Landesweit fanden spontane Kundgebungen statt, so auch gestern Abend in Palermo. Gut Tausend demonstrierten für die Öffnung der Häfen und gegen die Abschottungspolitik Salvinis - unter den Demonstrant*innen war auch der Bürgermeister Palermos Leoluca Orlando:
„Heute, vor einigen Stunden, hat Italien dank des unverantwortlichen Verhaltens und der Erklärungen der neuen Regierung an internationaler Glaubwürdigkeit verloren sowie eine der wenigen Errungenschaften preisgegeben, mit denen wir uns brüsten konnten - ein Land der menschlichen Aufnahme und der Achtung der internationalen Gesetze zu sein“, erklärte Orlando. „In einem Punkt kann ich Matteo Salvini zustimmen, und das ist die Tatsache, dass Italien in den letzten Jahren allein gelassen wurde, um die Aufgaben zu erfüllen, die die gesamte Europäische Union nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch zur Erfüllung ihrer Gründungsbestimmungen hätte erfüllen müssen. Aber was Matteo Salvini bewusst auslässt, ist, dass jenes Europa, das Italien allein gelassen hat, das Europa seiner Freunde ist: das Europa des ungarischen Premiers Orbán, das Europa der Visegrad-Staaten, das Europa, das Sympathien und Verbindungen mit einer gewalttätigen und radikalen Rechten hat und das Matteo Salvini heute als Vorbild herausstellt.“
Nachdem auch Spanien sich bereit erklärt hat, die Geflüchteten aufzunehmen, wird die Aquarius nun eine lange Reise bis zum Hafen von Valencia antreten müssen. Dabei wird sie zwar von zwei italienischen Schiffen unterstützt, doch bedeutet das für die Crew und ihre Gäste, dass sie weitere vier Tage auf dem Meer verbringen müssen. Zudem fehlt die Aquarius nun als Rettungsschiff auf dem Mittelmeer, während weiter Menschen aus Libyen fliehen. Viele Anwälte haben schon jetzt darauf aufmerksam gemacht, dass das Verhalten der italienischen Regierung gegen internationales Seerecht verstößt, es sich hierbei um eine illegale Zurückweisung handelt, zumal die Rettung vom MRCC Rom koordiniert wurde. Dennoch scheint Salvini gerade seinen ersten „Sieg“ feiern zu dürfen im politischen Streit Europas um die Migration. Ein Streit, der wiedermal auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen wird.