Central Med Statistiken
Eine zentrale Aufgabe unserer Außenstelle in Palermo ist die genaue Beobachtung der Situation auf dem zentralen Mittelmeer. Tag für Tag halten wir alle uns zugänglichen Informationen zu Ankünften, Rettungen sowie Push- & Pullbacks im Zentralen Mittelmeer (Central Med) fest. Damit stellen wir den Zahlen des italienischen Innenministeriums und der UN eine zivile Beobachtung entgegen. In diversen Statistiken und Tabellen sammeln und verarbeiten wir alle Informationen, die uns über verschiedene Kanäle und Netzwerke zur Verfügung stehen. Neben Ankunfts- & Abfahrtsorten, Nationalitäten, Alter und Geschlecht halten wir jegliche Merkmale fest, die gegebenenfalls eine Rückverfolgung einzelner Personen oder Gruppen ermöglichen können. Diese Indizien können beispielsweise Familien auf der Suche nach ihren Angehörigen weiterhelfen. Die Zahlen basieren auf unseren Recherchen und sind ohne Gewähr zu lesen. Seit Januar 2021 teilen wir regelmäßig zum Monatsende Teile unserer gesammelten Daten aus dem Central Med auf den sozialen Medien. Im Folgenden werden die darin von uns verwendeten Kategorien zum besseren Verständnis erläutert:
Legende:
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Die von uns gesammelten Daten beziehen sich zu Großteilen auf die Aktivitäten der sogenannten libyschen Küstenwache sowie der tunesischen und seltener der algerischen Küstenwachen.
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"rescued by NGOs" bezieht sich auf Rettungsaktionen, die von NGOs - also zivilgesellschaftlichen Organisationen - durchgeführt und finanziert werden. Rettungsaktionen die durch staatliche Küstenwachen oder kommerzielle Schiffe erfolgen, sind hier nicht mitgezählt.
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"dead or missing“ bezieht sich lediglich auf die in dem jeweiligen Zeitraum dokumentierten Fälle, die tatsächliche Zahl ist vermutlich um einiges höher.
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„pushback“ meint die informelle und völkerrechtswidrige Abweisung, Rückführung oder Zurückdrängung von Menschen in ein anderes Land, in welchem kein ausreichender Schutz für Geflüchtete gewährleistet wird und die Asylsuchenden oftmals massiver Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt sind. Das so genannte Non-Refoulement-Prinzip verbietet jedoch die Zurückschiebung in einen nicht sicheren Drittstaat. Dieses Prinzip ist in diversen rechtsverbindlichen internationalen Abkommen verankert (siehe hierzu Art. 33 GFK, Art. 3 EMRK, Art. 3 CAT). Dessen ungeachtet ist eine fortwährende Zunahme von „pushbacks“ sowohl im zentralen Mittelmeer als auch innerhalb anderer Regionen an den europäischen Außengrenzen zu beobachten.
Im hier definierten Kontext des zentralen Mittelmeers zeigen sich „pushbacks“ bislang vor allem durch die Rückführungen von Menschen aus internationalen oder europäischer Zuständigkeit unterliegenden Gewässern in die SAR (Search and Rescue)-Zone eines außereuropäischen Drittstaates wie etwa Libyen oder Tunesien. Während die Praxis im zentralen Mittelmeer mit der Anwendung oder Androhung extremer Gewalt gegenüber den Geflüchteten einhergeht und meist in einer Inhaftierung der Menschen endet, kommt es in anderen Regionen außerdem zunehmend zu Entführungen, Misshandlungen und Aussetzungen der Schutzsuchenden in lebensbedrohlichen Situationen durch die ausführenden Behörden.
Diese grundlegenden Rechtsverletzungen werden insbesondere im Rahmen der engen Zusammenarbeit zwischen außereuropäischen und europäischen Akteur*innen an den Außengrenzen sowie nationalen Behörden innerhalb Europas möglich gemacht. -
„pullback“ hingegen bezeichnet eine Maßnahme, die Menschen an der Ausreise aus einem Drittstaat hindert. So führt etwa die sogenannte libysche Küstenwache, welche maßgeblich durch Italien sowie andere Mitgliedsstaaten der EU finanziert und ausgestattet wird, „pullbacks“ durch, in dem sie Boote auf ihrem Weg nach Europa abfängt und ebenso gewaltsam nach Libyen zurückholt. Bei dieser Küstenwache handelt es sich nicht um eine landesweite Einheit, sondern um verschiedene Milizen mit unterschiedlichen politischen Zielen. Entsprechend bezeichnen wir diese Einheit als eine „so genannte“ Küstenwache, da ihr Zweck nicht in der Sicherheit und Rettung von Menschen auf See, sondern vielmehr in der Bekämpfung von Menschen auf der Flucht liegt. Politisch gesehen kann somit auch bei „pullbacks“ im weitesten Sinne von „pushbacks“ gesprochen werden, da die EU die Rückführung von Geflüchteten im Zuge ihrer Externalisierungs- und Abschottungspolitik in nicht sichere Drittstaaten unterstützt und finanziert.
In den vergangenen Jahren kam es im Zuge solcher „pullbacks“ immer wieder zu vorsätzlichen Manövern seitens der tunesischen und sogenannten libyschen Küstenwache, welche das Leben der Menschen auf den Booten unnötig gefährdeten. Nach der Rückführung der Menschen in Länder wie in das von Milizen weiterhin umkämpfte Libyen, sind diese in Gefangenenlagern nicht nur unmenschlichen Bedingungen, sondern nicht selten auch Folter, Sklaverei und sexueller Ausbeutung ausgesetzt.