01.10.2024

Prozessbericht zum Berufungsverfahren von Homayoun Sabetara

Am 24. und 25. September 2024 fand das Berufungsverfahren von Homayoun Sabetara in Thessaloniki, Griechenland, statt. borderline-europe e.V., Aegean Migrant Solidarity (AMS), das Border Violence Monitoring Network (BVMN), die European Lawyers for Democracy and Human Rights (ELDH), das Legal Centre Lesvos (LCL) und das Feminist Autonomous Centre for Research (FAC) waren als Prozesbeobachter*innen vor Ort.

Homayoun Sabetara, ein iranischer Asylsuchender, wurde im August 2021 in Thessaloniki wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise (Schlepperei) und wegen Lebensgefährdung festgenommen. Nach einem Flug von Iran nach Istanbul reiste er nach Griechenland mit dem Ziel, nach Deutschland zu gelangen, um mit seinen dort lebenden Kindern wiedervereint zu werden. Nach vier Tagen ohne Nahrung oder Wasser in der Region Evros wurde er in Thessaloniki festgenommen, als er ein Fahrzeug mit sieben Insassen fuhr.

Die Verteidigung plädierte für die Unschuld von Herrn Sabetara und verwiesen auf sein Vorhaben, Asyl zu beantragen, was ihn gemäß Artikel 30 Absatz 1 des Gesetzes 4251/2014 in Verbindung mit Absatz 6 des gleichen Artikels von den strafrechtlichen Bedingungen ausnehmen würde.

Darüber hinaus argumentierten die Verteidigung, dass die Aussage eines der beiden Zeug*innen, die die zentrale Grundlage der Anklage bildete, nicht vom Gericht berücksichtigt werden sollte. Der Zeuge, ein Mitfahrer im Fahrzeug, konnte von der Anklage nicht ausfindig gemacht werden und stand daher der Verteidigung für ein Kreuzverhör nicht zur Verfügung. Zudem wurde die Aussage des Zeugen am Tag der Festnahme ohne ordnungsgemäße Dolmetschung aufgenommen; stattdessen übersetzte einer der im Dienst befindlichen Polizeibeamt*innen in eine Sprache, die zudem nicht die Muttersprache des Zeugen war, was die Zuverlässigkeit der Aussage zusätzlich maßgeblich infrage stellt. Die Entscheidung des Gerichts, den Einspruch der Verteidigung gegen die Verwendung der Aussage des abwesenden Zeugen zurückzuweisen, wirft ernste Fragen hinsichtlich der Fairness des Verfahrens auf.

Schließlich argumentierte die Verteidigung, dass die Anklage der Beihilfe zur unerlaubten Einreise auf Homayoun Sabetaras Situation nicht zutreffe, da er und die anderen Personen, deren Mobilität er angeblich durch das Fahren eines Fahrzeugs erleichtert haben soll, bereits seit mehreren Tagen auf griechischem Staatsgebiet gewesen seien. Falls überhaupt, hätte die Anklage auf die Beihilfe zum Aufenthalt gemäß Artikel 29 des Gesetzes 4251/2014 geändert werden müssen.

Nach seiner Festnahme wurde Herr Sabetara fast ein Jahr lang in Untersuchungshaft gehalten, obwohl er keine Gefahr für andere darstellte und vollumfänglich mit den Behörden kooperiert hatte, wie auch ein Polizeibeamter, der im Prozess aussagte, bestätigte. Am 26. September 2022 hatte das Gericht erster Instanz ihn zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt.

Das Berufungsverfahren von Herrn Sabetara war von erheblichen Verzögerungen geprägt, darunter eine fünfmonatige Verschiebung seines Anhörungstermins am 23. April 2024. Am 24. September 2024 wurde der Fall als 22. von 25 aufgelistet, was zu einer weiteren Verschiebung auf den folgenden Tag führte.

Das Gericht begründete die Verschiebung damit, dass am 24. September 2024 kein registrierter Gerichtsdolmetscher anwesend war. Das Fehlen eines registrierten Dolmetschers, in Verbindung mit der Weigerung des Gerichts, einen von der Verteidigung gestellten Dolmetscher angesichts der Dringlichkeit der Umstände zuzulassen, verstößt gegen das Recht von Herrn Sabetara auf Dolmetschung sowie gegen das Recht auf eine rechtzeitige Entscheidung gemäß dem griechischen Strafprozessrecht und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Seit seiner Verurteilung durch das Gericht erster Instanz hatte Herr Sabetara 730 Tage im Gefängnis verbracht. Diese kumulierten Verzögerungen verletzen somit das Prinzip, Gerichtsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist durchzuführen.

An beiden Tagen des Berufungsprozesses bekundeten zahlreiche Unterstützer ihre Solidarität mit Herrn Sabetara. Die Polizeipräsenz sowohl im Gerichtssaal als auch außerhalb war übermäßig, und die feindliche Atmosphäre wurde mit Besorgnis zur Kenntnis genommen, insbesondere im Vergleich zu der vorherigen Anhörung im April 2024.

Herr Sabetara wurde für schuldig erklärt, aber seine Strafe wurde aufgrund der entfallenen erschwerenden Umstände – insbesondere des im Artikel 30(b) des Gesetzes 4251/2014 verankerten Gewinnmotivs – auf 7 Jahre reduziert. Darüber hinaus wurden die bereits verbüßte Haftzeit und mildernde Umstände berücksichtigt, sodass er bald einen Antrag auf vorzeitige Entlassung auf Bewährung stellen kann. Das Ergebnis der Entscheidung kann jedoch nicht von den oben genannten Verstößen gegen das Recht auf ein faires Verfahren getrennt werden, die in einem vollständigen Bericht der Prozessbeobachter*innen, der in den kommenden Wochen veröffentlicht wird, näher erläutert werden. Ein vorläufiger Bericht ist hier verfügbar.