Presseerklärung von 28 senegalesischen Organisationen zum Drama der sogenannten "irregulären Migration"
Pressemitteilung des "Collectif des Organisations de la Société Civile et Acteurs de la Migration (C.O.C.S.A.M.)", bekannt als "Lu waral lii"
Original übersetzt ins Deutsche von borderline-europe mit freundlicher Genehmigung vom Kollektiv.
Seit zwei (2) Monaten erleben wir im Senegal täglich einen Anstieg von Kanus, die Richtung Kanarische Inseln (Spanien) ablegen. Unseren Schätzungen zufolge gab es dabei mindestens 200 Tote.
Bei der letzten Kollision zwischen einem Schiff der senegalesischen Marine und einem Kanu, in dem überwiegend junge Senegales*innen und andere Afrikaner*innen der Teilregion saßen, kamen etwa 40 Menschen ums Leben.
Unser tiefes Beileid gilt den trauernden Familien und den Menschen im Senegal und Afrika, die dadurch einen wichtigen Teil ihrer Stärke verlieren. Mögen sie in Frieden ruhen. Amin.
Angesichts dieser Tragödie fällt den Behörden nichts anderes ein, als die jungen Menschen unter dem falschen Vorwand, sie seien gegangen ohne die Behörden zu informieren, zu "kriminalisieren". Diese schändliche und arrogante Haltung spiegelt in der Tat die anhaltende Unfähigkeit der Regierung wider, angemessene Antworten auf den Bedarf junger Menschen nach guter Arbeit und der Forderung einer Verringerung der sozialen Ungleichheit zu finden.
Die bisher forcierte Politik verstärkt diese Ungleichheiten, wie es die nebulöse Situation um die Fischereilizenzen zeigt, die das Fischereierbe des Landes zerstört und die Kleinfischerei zugrunde richtet.
In Wirklichkeit führt das Fehlen einer Migrationspolitik, die an diesen Fragen ausgerichtet ist, dazu, dass das Land sich auf einem Blindflug befindet und sich in ein Milliardenloch verwandelt, das aus der internationalen Zusammenarbeit stammt.
Bedauerlicherweise gab es seit dem Valletta-Gipfel, auf den unter anderem die Verabschiedung des Global Compact on Migration folgte, keine Transparenz in Bezug auf diese Mittel und keine Wirksamkeit. Nur überdimensionale Ministerien, Aktionen ohne positive Wirkung, und vor allem eine Diskrepanz zwischen der Realität und den Erwartungen vor allem junger Menschen. All dies nährt und bereichert skrupellose Schlepper.
Der Staat ist für all diese Übel verantwortlich.
Deshalb haben wir uns als Organisationen innerhalb des Kollektivs "Lu waral lii" zusammengeschlossen. Wir denunzieren:
- Die zunehmenden sozialen Ungleichheiten innerhalb der senegalesischen Gesellschaft, die durch die Präsenz ausländischer Privatunternehmen weiter verstärkt werden, von denen die meisten Senegales*innen nicht bevorzugt einstellen und außerdem das Arbeitsgesetz nicht respektieren;
- Die ineffizienten Antworten der Behörden auf die Migrationsfrage;
- Die Stigmatisierung von Migrant*innen im politischen und medialen Diskurs durch die Verwendung unangemessener und diskriminierender Begriffe wie "illegale Migrant*innen" oder "illegale Migration";
- Das Fehlen einer echten, wirklich inklusiven Migrationspolitik, die sich in erster Linie auf eine nationale Entwicklung im Dienste der Senegales*innen konzentriert, um den Erwartungen der Bevölkerung, insbesondere denen der Jugendlichen, gerecht zu werden;
- Die nebulösen Praktiken in der Migrationssteuerung;
- Die Fischereilizenzen für ausländische Schiffe, die unsere Ressourcen plündern;
- Das abscheuliche Geschäft mit Migrant*innen
Wir rufen zu einer allgemeinen Mobilisierung gegen diese Plagen, Praktiken und Politik auf.
Wir verlangen:
- Die Veröffentlichung aller vom Staat verwalteten Projekte mit den Beträgen, Finanzierungsquellen und Ministerien, die diese verwalten;
- Eine Prüfung der Mittel, die aus der internationalen Zusammenarbeit seit mindestens 5 Jahren gewonnen wurden;
- Die Veröffentlichung aller (Rückübernahme-) Abkommen mit europäischen Ländern, der Europäischen Union, Frontex, ...;
- Die Notwendigkeit, die Aktivitäten von Frontex im Senegal öffentlich zu machen;
- Eine unabhängige Evaluation der Mittel, die seit 2015 aus der internationalen Zusammenarbeit erhalten wurden.
- Die Einrichtung eines ständigen Beratungsrahmens unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Diaspora, ohne Ausgrenzung oder politische Vetternwirtschaft;
- Die Entwicklung und Ausarbeitung einer Arbeitsmigrationspolitik;
- "Les États généraux de la migration" (zivilgesellschaftliche Initiative; https://eg-migrations.org/) im Einklang mit nachhaltiger Entwicklung.
Lasst uns die gesamte Zivilgesellschaft, die Migrant*inen, die Gemeinden, die sozio-professionellen Gruppen, alle Jugend- und Frauenvereinigungen, die Gewerkschaften und die zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie die sozialen Bewegungen für nachhaltige Alternativen zur Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit der Migration aufrufen.
Erstellt in Dakara am 03. November 2020
Unterzeichner*innen:
1. Migration Development Network (REMIDEV)
2. DIADEM
3. UNSAS
4. Cadre d’Action et de Réflexion Intersyndicales sur la Migration (C.A.R.I.S.M)
5. Association Sénégalaise de Solidarité des Émigrés de Retour (A.S.S.E.R)
6. Cercle d’Etudes et de Recherches sur les Migrations (C.E.R.MI)
7. REDDEM
8. Point d’Accueil pour les Réfugiés et Immigrés (P.A.R.I)
9. Association MIGDEV (Yaraakh)
10. Union pour la Solidarité et l’Entraide (U.S.E)
11. Action Humaine pour le Développement intégré au Sénégal (A.H.D.I.S)
12. Confédération Nationale des Travailleurs du Sénégal (C.N.T.S)
13. Action Aid Sénégal
14. Délégation Sahel
15. ONG Hahatay de Gandiol, Saint Louis
16. A.F.E Pikine (Saint Louis)
17. Association Keur Talibé Ndar, Saint Louis
18. Académie Banlieue Culture (A.B.C) de Yeumbeul
19. Association des Journalistes en Migration et Sécurité (A.J.S.M)
20. PAALAE
21. Association des Jeunes Rapatriés de Thiaroye (A.J.R.A.P)
22. Afrique Sans Frontières (A.S.F)
23. ASRADEC24. Réseau Droit au Développement pour d’autres Alternatives (R.E.D.A)
25. Association des Migrants de Retour de Tambacounda
26. Cadre départemental de concertation sur les questions migratoires (Vélingara)
27. Association ADESC de Saré Coly Sallé (Vélingara)
28. Forum Social sénégalais
Das Original auf Französisch: https://www.facebook.com/1715410162008695/posts/2734768846739483/
© Foto: Senegalesische Pirogen, Carles Martinez, Unsplash