Große Koalition des Antirassismus
Am 10.-13. Mai fand in der Göttinger Universität dank der Initiative von Kritnet, We’ll Come United, Solidarity Cities und dem Gesprächskreis der RLS die große Koalition des Antirassismus statt. Knapp 400 Teilnehmer*innen aus verschiedensten antirassistischen Gruppen kamen zusammen um sich zu vernetzen, auszutauschen, Aktivismus und Wissenschaft zusammenzubringen. Ein ganz besonderes Highlight war hierbei die Teilnahme der Protestierenden aus der Landeserstaufnahme in Ellwangen. Die bundesweite Berichterstattung über die Vorfälle in Ellwangen – wo friedlicher Protest zu einem rechtsfreien Raum erklärt wurde – zeigen deutlich wie notwendig ein breites antirassistisches Bündnis geworden ist, um dem aufgeladenen fremdenfeindlichen Diskurs etwas entgegenzusetzen.
Zahlreiche Workshops standen auf dem Programm. Inhaltlich ging es dabei um das das Grenzregime nach dem Sommer der Migration 2015, Konzepte von solidarischen Stadtbewegungen, Kämpfe gegen Rassismus, sowie Arbeitsausbeutung und Prekarisierung von arbeitenden Migrant*innen. Die Workshopreihe Post 2015 Border Regime gliederte sich nach einer Einführung in die Regionen rund um das Mittelmeer und an Europas Landgrenzen in drei spannenden Vertiefungsmodule auf.
In der Vertiefung Migrationsbewegungen im Mittelmeerraum kamen verschiedene Forscher*innen und Aktivist*innen zusammen, die sich in nordafrikanischen Kontexten engagieren. Es wurde über Auswirkungen der EU-Migrations- und Grenzkontrollpolitik in Libyen, Ägypten und Algerien informiert. Als wichtig wurde die Zusammenarbeit mit lokalen Akteur*innen herausgestellt, ebenso Kämpfe der Migration mit anderen gesellschaftspolitischen Faktoren zu verknüpfen.
Ein weiterer Vertiefungsworkshop beschäftigte sich mit der Re-Stabilisierung des europäisch-türkischen Grenzregimes seit dem EU-Türkei-Deal. Drei Schwerpunkte wurden hier gemeinsam herausgearbeitet und Entwicklungen diskutiert: die aktuelle Lage in den griechischen Hotspots, Rechtsbrüche in der Ägäis und Lebenslage sowie Zugang zu Schutz von Geflüchteten in der Türkei. Die Grenzkontrollen zwischen Griechenland und der Türkei wurden verstärkt und Abschiebungen in die Türkei erleichtert. Nach Ankunft in der Türkei werden viele Migrant*innen inhaftiert und schließlich in ihre Herkunftsländer abgeschoben. Es ist davon auszugehen, dass solche Kettenabschiebungen vermehrt auftreten werden. Kriminalisierungen und Inhaftierungen von Menschen, die ihre Stimme gegen die politische Situation in der Türkei erheben stehen auf der Tagesordnung. Geflüchtete werden im Gleichzug immer weiter von den Grenzen Europas weggedrängt. Eine Stärkung solidarischer und transnationaler Netzwerke ist daher dringend notwendig.
Ergänzend wurde zum fast geschlossene Korridor und der Lage auf der Balkanroute diskutiert. Der Workshop informierte über die aktuelle Situation in Ungarn, Serbien, Kroatien und Slowenien. Obwohl die Route geschlossen zu sein scheint, passieren dennoch immer wieder Flüchtende die Grenzen und sind dabei regelmäßig gewaltsamen Push-backs durch Polizei und Militär ausgesetzt. Die oft sogenannte smart border ist eigentlich eine der gewalttätigsten Europas und sie wird immer weiter mit High-Tech Ausrüstung ausgestattet. Der Rechtsruck in den politischen Systemen der Balkanländer lässt darauf schließen, dass ein Monitoring von Rechtsbrüchen in Zukunft schwieriger wird, solidarische Strukturen von Unterstützer*innen sind aber weiterhin stark.
Ein wichtiger nächster Moment für ein Zusammentreffen aller, die für ein solidarisches und antirassistisches Zusammenleben mit dem Recht auf Bewegungsfreiheit für alle kämpfen wird die Parade in Hamburg am 29. September sein. Wir sind dabei stecken schon voll in den Vorbereitungen!
Infos und Links: Radiobeitrag des Göttinger Stadtradios & Presseerklärung der Koalition