„Verschwiegenheits-Klausel" für NGOs und Journalist*innen in griechischen Lagern für Geflüchtete
von Yasmin Chreiteh
Am 30. November 2020 verkündete die griechische Regierung eine neue Rechtsordnung, die es ehrenamtlichen Helfer*innen und NGO-Mitarbeiter*innen untersagt, jegliche Informationen und Bildmaterial von innerhalb der Lager zu veröffentlichen. Dies gilt sowohl für die Zeit ihrer Aktivitäten dort als auch nach deren Beendigung.
Journalist*innen sollen von nun an Camps nicht mehr frei betreten und verlassen können; Campbewohner*innen ist es zudem untersagt, Informationen an Journalist*innen zu geben und dadurch zu veröffentlichen.
Was dies für die Geflüchteten innerhalb des Camps, Journalist*innen als auch Aktivist*innen und NGO-Mitarbeiter*innen bedeutet, ruft geteilte Meinungen hervor. Einige der Aktivist*innen und NGOs vor Ort vertreten den Standpunkt, dass dadurch die Privatsphäre der Bewohner*innen des Camps besser geschützt wird. Bewohner*innen hatten immer wieder beklagt, dass Fotos und Geschichten von ihnen ohne ihre Einwilligung veröffentlicht werden.
Viele Organisationen kritisieren die neu angekündigte Verordnung jedoch vehement. Es werde massiv in die Freiheiten der Geflüchteten innerhalb der Camps, der Aktivist*innen und NGO-Mitarbeiter*innen eingegriffen und Öffentlichkeitsarbeit kriminalisiert.
Geflüchtete werden in ihrer Interaktion mit der Öffentlichkeit ohnehin wirksam eingeschüchtert. Es dürfen keine Bilder im Camp gemacht oder weitergegeben werden, sonst riskieren sie Geldstrafen oder gar einen Rauswurf aus dem Camp. Außerdem heißt es, Kommunikation mit den Medien könne ihren Asylverfahren schaden. Dadurch scheuen viele Geflüchtete davor zurück, Informationen weiterzugeben oder tun dies auf anonymen Wege, um ihren Aufenthalt nicht zu gefährden.
Auf Missstände hinzuweisen sowie Versäumnisse und Rechtsbrüche der Behörden aufzudecken und zu veröffentlichen, wird durch das neue Gesetz drastisch erschwert. Unmenschliche Lebensverhältnisse, wie etwa eine knappe Wasser- und Lebensmittelversorgung und unhygienische oder fehlende sanitäre Anlagen, bleiben durch die Einschränkung im Dunklen.
Diese Maßnahme ist bekanntlich nicht der erste Versuch, solidarische Helfer*innen zum Schweigen zu bringen bzw. ihre Arbeit zu erschweren. Erst im letzten Jahr wurden Gesetze zur Registrierungspflicht von NGOs durch vage formulierte Bestimmungen weiter verschärft. Diese eröffnen einen uneingeschränkten Ermessensspielraum für die Ablehnung als auch den Widerruf der Registrierung von NGOs und Einzelpersonen. Viele NGOs haben in der Vergangenheit bereits auf öffentliche Kritik verzichtet, um die Zusammenarbeit mit der Regierung nicht zu erschweren und damit ihre Arbeit vor Ort aufs Spiel zu setzen.
Die Details der Umsetzung dieses neuen Gesetzes sind ungewiss, sicher ist jedoch, dass ein Verstoß gegen diese „Verschwiegenheits-Klausel" rechtliche Folgen nach sich zieht.
Seit ihrem Sieg im letzten Jahr fährt die griechische rechte Partei „New Democracy“ eine verschärfte Kampagne gegen Geflüchtete und NGOs, indem sie massivst auf den öffentlichen Diskurs einwirkt. Anstatt von Geflüchteten ist nur noch von „illegalen Migranten*innen“ die Rede, während NGOs mit Anschuldigungen wie Menschenschmuggel und Spionage konfrontiert werden.
© Foto: Mika Baumeister, Unsplash
Quellen und weiterführende Informationen:
- LaCroix: La Grèce bâillonne la parole dans les camps de migrants
- Reliefweb: Greece’s new confidentiality law aims to conceal grave violations against asylum seekers
- Forbes: Greece has intensified its crackdown on NGOs with a new confidentiality law
- Mare Liberum: Moria 2: Zensur, Angst und die Einschränkung der Pressefreiheit
Dienstag, 02. Februar 2021