Die EU und der griechische Staat sind schuldig - Solidarität mit den Inhaftierten nach dem Brand in Moria!

Veröffentlicht auf: Can't Evict Solidarity

Moria ist niedergebrannt. Die Feuer, die das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos am 8. September zerstört haben, lenkten das Augenmerk der Welt auf die unmenschliche und rassistische Grenzpolitik der EU und Griechenlands. Die wütende Reaktion des griechischen States auf den verzweifelten Widerstand der Menschen – die jahrelang in überfüllten Lagern unter unmenschlichen Bedingungen lebten mussten – besteht einmal mehr aus Repression und Kriminalisierung. 



Die Ereignisse sind eng mit der immer schlimmer werdenden Politik des Einsperrens verwickelt. Seit März stand das Lager unter Ausgangssperre; die Bewohner*innen waren darin ohne die nötigen Grundversorgungsgüter gefangen. In September schloss die griechische Regierung einen Vertrag mit einer privaten Firma ab, um das gesamte Lager in ein Gefängnis umzuwandeln, das von Stacheldraht umgeben und mit Sicherheitstoren ausgestattet ist – finanziert von der EU. Die Covid-19-Pandemie wurde für das Durchsetzen dieser Pläne instrumentalisiert. Statt angemessen Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung zu stellen, versuchte der griechische Staat Tausende von Menschen zusammengepfercht hinter Stacheldraht einzusperren. Als unter diesen Umständen Corona ausbrach, begann das Lager zu brennen.
 

Kurz nach dem Feuer nahm die griechische Polizei willkürlich sechs Menschen fest – fünf von ihnen Minderjährige –; alle sechs bestreiten am Legen der Feuer beteiligt gewesen zu sein.

Die sechs wurden der Brandstiftung unter Gefährdung menschlichen Lebens– einem Schwerverbrechen –  und Mitgliedschaft in einer kriminellen Gruppe – einer Ordnungswidrigkeit – angeklagt. Am 21. September wurde angeordnet, dass alle sechs bis zu ihrem Prozess in Untersuchungshaft bleiben müssen.

Während zwei der sechs in Griechenland als Minderjährige registriert sind, sind drei andere der sechs noch Kinder, aber wurden bei ihrer Ankunft in Griechenland von FRONTEX als Erwachsene registriert – eine gängige Praxis innerhalb der Hotspot-Lager. Sie wurden in Untersuchungshaft geschickt, obwohl diese ein letztes Mittel der Abhilfe ist und obwohl der Staat keine glaubhaften Beweise gegen sie in ihrer Anhörung vorbringen konnte. Ein Staatsanwalt sagte aus, dies sei das erste Mal in Mytilene, dass offiziell anerkannte Minderjährige in Untersuchungshaft geschickt wurden.


Das Gericht gründete die Anklagen auf Aussage eines einzigen Zeugen, der ebenfalls im Moria-Lager untergebracht war. Er identifizierte die sechs jungen Männer, in dem er der Polizei ihre Vornamen nannte und sie in Fotos von geringer Qualität, welche für das Asylverfahren gemacht worden waren, vermeintlich wiedererkannte.
 

Es gibt mehrere Gründe zu glauben, dass diese Anschuldigungen nicht glaubwürdig sind. Einerseits ist der Zeuge ein "community leader" innerhalb des Lagers und es gab mehrere vorangehende Fälle in welchen solche Führungspersonen von der Polizei zu Aussagen gegen vermeintliche Kriminelle von Protestbewegungen gedrängt wurden – und dann mit der Möglichkeit, von der Insel Lesbos aufs Festland zu kommen, belohnt wurden. Andererseits stammen – anders als der Zeuge – alle Angeklagten von der Gemeinschaft der Hazara, einer ethnischen Minderheit aus Afghanistan, die dort systematisch diskriminiert und verfolgt wird.

Und vor allem, ist es nicht das erste Mal, dass zufällig ausgesuchte Menschen vor Gericht gebracht werden und vorgeblichen Straftaten während Protestbewegungen angeklagt werden.

Der Fall der Moria 35  zeigt klar, wie Menschen willkürlich angeklagt und verurteilt werden in Prozessen, die wichtige Grundsätze der Europäischen Menschrechtscharta brechen, trotz der Tatsache, dass viele zum Zeitpunkt der vermeintlichen Straftat nicht mal im Lager waren. Die Moria 8 wurden ebenfalls willkürlich festgenommen in Folge von Protesten im Moria Lager. Sie wurden letztendlich im Februar 2019 nach elf Monaten ungerechter Untersuchungshaft wieder entlassen, da sie offensichtlich unschuldig waren.

Der Versuch des griechischen Staates nun eine Gruppe von Jungs für das offensichtliche Versagen des griechischen Hotspot-Systems verantwortlich zu machen, ist abstoßend. Gleichzeitig gibt es Versuche, Unterstützer*innen und NGOs zu kriminalisieren. Doch es sind weder die Menschen, die Schutz suchen und für ein besseres Leben kämpfen, noch Unterstützer*innen, die sich in Menschrechtsarbeit engagieren, die an der dramatischen Situation in den Hotspots schuld sind. Das Desaster im Lager ist das Ergebnis der Politik der Europäischen Union und des griechischen Staates.  

Seit des EU-Türkei Deals wurden die Hotspots auf den Inseln zu Freiluftgefängnisse, mit der vollen politischen und finanziellen Unterstützung der europäischen Kommission und der EU Mitgliedsstaaten. In den letzten Monate der Covid-19 Krise, drängte die grieschische Regierung auf ihre (von der EU unterstützen) Pläne, geschlossene Lager an den EU-Außengrenzen zu bauen, so genannte „kontrollierte Zentren“ – in dem Menschen in Moria von Stacheldraht umzäunt wurden. Grundlegende Menschenrechte wurden missachtet; medizinische und juristische Unterstützung wurde nach und nach unmöglich gemacht.  Sogar das Recht auf Asyl wurde ausgesetzt und Menschen wurden illegal in die Türkei zurückgedrängt. Der neue Pakt zu Asyl verankert und verschlechtert dieses System planmäßiger Entrechtung nur noch weiter, indem das Lagersystem Moria als Blaupause für ihre Asylpolitik genommen wird.

Die Inhaftierten sind der Verbrechen, derer sie beschuldigt werden, nicht schuldig! Selbst wenn irgendjemand, der im Lager Moria lebte, das Feuer legte – als Widerstandshandlung gegen ein System bewusster Entrechtung und Elends , ist klar, dass die wahren Brandstifter jene sind, die das Lagersystem ermöglichen und am Laufen halten.

 


Wir fordern die sofortige Freilassung aller Gefangenen, die der Brandstiftung beschuldigt werden!

Wir fordern die Schließung aller Lager und Gefangenenlager!

Evakuiert die Inseln!

Bewegungsfreiheit für alle!

Wir werden die Angeklagten auf jede erdenkliche Weise unterstützen – in Gerichtsverhandlungen, in den Gefängnissen, durch Öffentlichkeitsarbeit, …
 


Wenn Sie Unterstützung anbieten möchten, spenden Sie bitte an:

 

Rote Hilfe e.V./ OG Hannover

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02 Oktober 2020