Frankreich: Cédric Herrou erneut festgenommen
Kriminalisierung von Migration und Solidarität
Polizei beschuldigt Aktivist der "Beihilfe zur illegalen Einreise", bevor sie feststellen muss, dass sich seine Begleiter legal in Frankreich aufhalten.
Der französische Landwirt Cedric Herrou, der in den letzten Jahren immer wieder für seine Solidarität mit Migrant*innen und Geflüchteten im Roya Valley und daraus resultierenden Verhaftungen Schlagzeilen machte, wurde am Samstag, den 26. Oktober, zum elften Mal in Nizza verhaftet, nachdem er gemeinsam mit zwei Asylbewerbern nahe der italienischen Grenze in eine Polizeikontrolle geraten war. Der Aktivist, der am späten Nachmittag entlassen wurde, prangert die Inkompetenz der Polizist*innen an.
"Der Polizeibeamte der PAF war mit den Verwaltungsunterlagen der Präfektur für Asylbewerber nicht vertraut und betrachtete meine beiden Passagiere als illegale Einwanderer!" Er forderte Innenminister Christophe Castaner "ohne Ironie" auf, eine kostenlose Schulung der Polizei zu Ausländerrechten anzuregen.
Seine Anwältin Zia Oloumi kommentierte das Geschehen vor der AFP folgendermaßen: "Cédric Herrou ging, wie so oft, auf den Markt von Saint-André-de-la Roche in der Nähe von Nizza, um Eier und Gemüse zu verkaufen, als das CRS (deutsch: Republikanische Sicherheitskompanien, vergleichbar mit der deutschen Bereitschaftspolizei) ihn und seine beiden Passagiere einer Kontrolle unterzog. Er filmte die Kontrolle seiner Mitreisenden durch die Polizei, die ihm befahl, aufzuhören. Cedric entgegnete, er dürfe filmen, woraufhin sie ihn festnahmen."
Laut Anwältin Oloumi begründete die Polizei die Festnahme mit "Beihilfe zur illegalen Einreise", bevor sie feststellen musste, dass sich die beiden Menschen in Herrous Begleitung legal in Frankreich aufhalten. Die beiden Personen wurden am Montagmorgen entlassen. Cédric Herrou wurde noch am selben Tag freigelassen.
Diese x-te Verhaftung ist laut Herrou ein weiterer Beweis für den missbräuchlichen Einsatz von Polizeigewahrsam und die andauernde Schikanierung und Stigmatisierung von Migrant*innen. "Jede Woche werden wir auf dem Weg zu diesem Markt verhaftet, nur weil Schwarze im Auto sind. Das ist racial profiling. Inzwischen planen wir schon immer eine zusätzliche Stunde für die Fahrt ein."
Seit mehreren Jahren leistet der Landwirt auf seinem Bauernhof nahe Breil-sur-Roya unweit der italienischen Grenze, neben zahl Geflüchtete und Migrant*innen auf. Die französische Polizei führt dort regelmäßig illegale Rückführungen nach Italien durch und hindert Geflüchtete aktiv daran, einen Asylantrag zu stellen. Herrou und zahlreiche weitere Einwohner*innen des Roya-Tals werden für ihre Unterstützung der Menschen bei der Durchsetzung deren elementarer Rechte seit Jahren mit einer Welle staatlicher Unterdrückung konfrontiert. Festnahmen, Straßensperren, nächtliche Razzien und Drohnenüberwachung gehören mittlerweile zur Tagesordnung.
Während in mehreren weiteren Prozessen die Klagen gegen Cédric Herrou fallengelassen wurden, befindet sich der Landwirt derzeit noch in einem gerichtlichen Ermittlungsverfahren vor dem Gericht in Grasse wegen "Hilfe zu illegalem Aufenthalt" in Frankreich.
Am 04.11.19 zeigt borderline-europe den Film "The Valley", der das Geschehen und die Menschen im Roya Tal dokumentiert, um 19 Uhr im moviemento: https://www.borderline-europe.de/termine
Nach der Filmvorführung werden wir in einer anschließenden Diskussion mit dem Regisseur Nuno Escudeiro sowie mit dem Filmprotagonisten Chamberlain Nyedri, der selbst über das Roya-Tal nach Frankreich gelangte, über die Kriminalisierung von Migration und damit einhergehend über die Kriminalisierung von Solidarität sprechen.